Zungendiagnose in der TCM: Die Zunge als Spiegel der Organe

Die Zunge ist ein Organ mit vielen Aufgaben. Sie zählt zum oberen Verdauungstrakt und ist ein von Schleimhaut überzogenes Muskelorgan. Sie führt und koordiniert Kau- und Saugbewegungen, formt schluckbare Bissen und initiiert die Schluckbewegung. Sie ist massgeblich an der Lautbildung beim Sprechen beteiligt und verfügt über feine Geschmacks und Tastsensoren (Papillen), mit denen wir den Geschmack der Speisen wahrnehmen.

Die Zunge in der TCM

Normale Zunge Zungendiagnose

Die chinesische Medizin hat über die Jahrtausende einzigartige Diagnosemethoden entwickelt. Eine davon ist die Zungendiagnose. Die Zunge hat eine enge Beziehung zu den inneren Organen, Meridianen, Qi, Blut und Körperflüssigkeiten. Eine normale Zunge ist hellrot (blassrot), sie sollte sich geschmeidig bewegen und sie ist weder zu dick noch zu dünn. Der Zungenbelag sollte dünn, weiss und feucht sein und sollte sich gleichmässig über die ganze Zunge verteilen. Die sublingualen Venen (Unterzungenvenen) sollten kaum sichtbar oder gar nicht sichtbar sein.
Die Zunge stellt einen Spiegel der inneren Organe dar. Alle Leitbahnen haben eine direkte oder indirekte Verbindung zur Zunge. Dies ermöglicht alle Veränderungen in einem Funktionskreis an der Zunge zu erkennen. Die Zungenspitze repräsentiert den Funktionskreis Herz und Lunge, der Zungenkörper Milz und Magen, die Zungenwurzel Niere, Blase und Darm und die Zungenränder Leber und Gallenblase.
Die Zunge ist dem Funktionskreis Herz zugeordnete. Über seine Luo-Leitbahn ist der Funktionskreis des Herzens direkt mit der Zunge verbunden. Dies ermöglicht dem Funktionskreis des Herzens die Kontrolle über das Sprechen und den Geschmack wahrzunehmen. Wird die Zunge ausreichend vom Blut des Herzens genährt entsteht die hellrote Farbe.

Zungendiagnose

Die Zunge hat eine direkte Verbindung zum Funktionskreis Milz und Magen. Der Magen ist die Quelle aller Körperflüssigkeiten. Die Feuchtigkeit der Zunge ist ein Ausdruck der Fähigkeit des Magens Körperflüssigkeiten zu produzieren.
Die Milz produziert das Blut und Qi. Steigt das Qi der Milz normal nach oben, führt dies zu einer hellroten Färbung des Zungenkörpers.
Die Leitbahn der Niere verläuft direkt durch die Zunge. Die Niere speichert die Essenz (Jing). Deshalb zeigt uns die Zunge Informationen über den Gesamtzustand des Körpers, über die Konstitution und damit verbunden über die Prognose einer Krankheit.

Die Zugendiagnose

Die Zugendiagnose ist ein wichtiger Teil der Anamnese. Man betrachtet primär Zungenkörper, Zungenfarbe, Zungenbelag, Feuchtigkeit und die sublingualen Venen.
Für eine genaue Zungendiagnose, muss man sich im Klaren sein wie eine gesunde Zunge aussieht. Zuerst versucht man einen Gesamteindruck zu bekommen. Als zweites versucht man, die relevanten Zeichen zu sammeln.
Sehr wichtig ist gutes Licht, am besten Tageslicht. Man sollte die Zungendiagnose, wenn immer es geht, in der Nähe eines Fensters vornehmen. Der Patient sollte die Zunge nicht verkrampfen und nicht zu lange herausstrecken. Wenn man mehr als 15 Sekunden braucht, sollte er sich ausruhen können.
Natürlich verändern auch stark gefärbte oder gewürzte Speisen die Zunge, genauso wie der Genuss von Kaffee und Tabak oder die Einnahme von Medikamenten. Diese Faktoren sollten in der Anamnese abgeklärt werden.
Die Farbe des Zungenkörpers ist ein wichtiger Aspekt der Zugendiagnose. Es gibt fünf pathologische Farben: blass, rot, dunkelrot, purpurfarben und blau. Die normale Farbe ist hellrot. Die Rötung entsteht dadurch, dass die Zunge ausreichend mit dem Blut des Herzens genährt wird. Hierfür ist jedoch auch die Fähigkeit der Milz Blut zu bilden notwendig, sowie ein ungestörter Fluss des Qi um das Blut vom Herzen zu transportieren. Hier zeigen sich die grundlegenden energetischen Verhältnisse der Zang-Fu (vor allem der Yin-Organe) und von Qi und Blut.
Die Untersuchung der Form des Zungenkörpers umfasst die Betrachtung des Zungenkörpers im generellen, die Beschaffenheit der Zungenoberfläche, des Gewebes des Zungenkörpers und der Beweglichkeit der Zunge. Sie gibt uns Hinweise zu Blut und Ying-Qi (Nähr-Qi) und reflektiert den Fülle- oder Leere-Charakter einer Krankheit. Die normale Zunge ist nicht zu dünn und nicht geschwollen, sie ist weich und geschmeidig, an der Oberfläche ohne Risse, sie ist ruhig ohne zu zittern.
Der Zungenbelag repräsentiert vor allem den Zustand der Yang-Organe (Magen und Milz) und den Zustand der Körperflüssigkeiten (Jin-Ye). Der Zungenbelag entsteht durch hochdampfendes Magen-Qi. Im Prozess der Verdauung, dem Verrotten und Reifen des Speisebreis im Magen, steigt ein Teil dieser Flüssigkeiten hoch und bildet den Zungenbelag. Aber auch die Niere ist an der Bildung des Belags beteiligt. Denn sie verdampft die Flüssigkeiten und schickt sie nach oben. Eine normale Zunge hat einen dünnen, weissen und leicht feuchten Belag. Der Belag sollte so dünn sein, dass man noch die Zungenkörperfarbe sehen kann. Er sollte an der Spitze am dünnsten und an der Wurzel am dicksten sein. Der Belag gibt uns einen Hinweis auf Gegenwart oder Abwesenheit eines pathogenen Faktors und auf seine Stärke.
Das Ausmass und Konsistenz der Feuchtigkeit auf der Zunge spiegelt den Zustand der Körperflüssigkeiten wider.
Die sublingualen Venen sollten kaum sichtbar oder gar nicht sichtbar sein. Dies zeigt uns, ob das Qi und Blut frei fliessen kann.
Der Geist der Zunge bezeichnet die Lebhaftigkeit der Zunge, unabhängig von bestehenden pathologischen Zeichen. Hat die Zunge eine Vitale Ausstrahlung und Farbe, ist die Prognose gut, erscheint sie dunkel und welk, ist die Prognose schlecht.

Die klinische Praxis hat bewiesen, dass die Zunge Veränderungen in den Organen, Meridianen, Qi, Blut und Körperflüssigkeiten widerspiegelt. Die Zunge zeigt uns auch, ob die Krankheit mild oder schwer ist und ob die Krankheit eine gute oder schlechte Prognose hat. Sie ist bemerkenswert verlässlich. Wann immer bei komplizierten Zuständen widersprüchliche Symptome bestehen, zeigt die Zunge beinahe immer das zugrundeliegende Basismuster.

Hier ist ein Beispiel wie sich die Zunge, anhand eines Schlaganfalls, verändert.

Die wichtigsten pathologischen Faktoren für Wind-Schlaganfall sind Wind, Feuer, Schleim, Blut-Stase und Yin-Mangel. Diese Faktoren zeigen eine sehr deutliche Veränderung der Zunge.

abweichende Zunge Zungendiagnose

Wind macht die Zunge steif, abweichend oder zitternd.

Feuer Zungendiagnose

Feuer (Fülle-Feuer) macht die Zunge rot.

Yin-MangelZunge Zungendiagnose

Yin-Mangel (Leere-Feuer) macht sie rot, ohne Zungenbelag und mit Rissen.

Violette Zunge Zungendiagnose
gestaute Venen Zungendiagnose

Blut-Stase macht die Zunge dunkelviolett mit dunklen und dicken sublingualen Venen.

Zungenbelag klebrig und ölig
Zunge geschwollen

Schleim macht die Zunge geschwollen und den Zungenbelag klebrig und ölig.

Diese Veränderungen helfen uns in der Praxis, das Muster zu erkennen und zu behandeln. Es zeigt uns auch den Schweregrad und die Prognose einer Krankheit.

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